✧ 7. Januar 2022 ✧
Früher genoss die Kartoffel grosses Ansehen in der Region. Durch die Kartoffeloffensive der Biosphäre Entlebuch soll die Pflanze wieder Aufwind kriegen. Der Biohof Schottenhof Lochsitli in Marbach setzt schon seit Generationen auf das vielseitige Nachtschattengewächs – unkonventionell & stark biologisch, wie alles andere auf dem Hof.
Geschmolzener Käse, Gewürze, Essig-Beilagen, ein Gläschen Weisswein – und gekochte Kartoffeln. Mehr braucht es nicht zum kulinarischen Winterglück. Am allerbesten schmeckt das Raclette natürlich, wenn die Produkte auf dem Tisch möglichst frisch und regional sind. Wer im Restaurant Sporting in Marbach einkehrt, kann darauf vertrauen, dass dies der Fall ist. «Als Gastropartner der UNESCO Biosphäre Entlebuch verwenden wir in der Küche ein Maximum an Echt Entlebuch Produkten», betont Gastgeber René Duss bei unserem Besuch Mitte Dezember. So kommen beispielsweise mindestens 25 Prozent der Fleisch- und Milchprodukte aus dem Entlebuch. Das gilt natürlich für alle Gerichte, bei denen Kartoffeln verwendet werden. Diese stammen zu einem grossen Teil aus dem Schottenhof Lochsitli in Marbach – nur wenige Meter in die Höhe. «Ich schätze nicht nur die Qualität, sondern auch die Vielseitigkeit der Kartoffeln», sagt Wirt René Duss. Auf dem Schottenhof werden meist die Sorten Agria, Desirée, Victoria und Ditta produziert – zudem kommen jedes Jahr einige seltenere Sorten wie zum Beispiel der Blaue St. Galler oder Apache hinzu.
Bis vor zirka 30 Jahren war der Kartoffelanbau in der Region zur Selbstversorgung beinahe eine Selbstverständlichkeit für viele Bauernfamilien. Tempi passati. Obwohl das vielseitige Nachtschattengewächs grundsätzlich pflegeleicht ist, werden im Entlebuch heute nur noch auf kleinen Flächen Kartoffeln angebaut. Eine der wenigen Ausnahmen bildet die Familie Wyss in Marbach. «Auf unserem Hof herrschen ideale Boden- und Wetterbedingungen, um Kartoffeln zu setzen», erklärt Andreas Wyss, der den Betrieb gemeinsam mit seiner Frau Renate in vierter Generation führt. Schon sein Grossvater baute Kartoffeln an. «Ich erinnere mich noch gut, wie ich als kleiner Junge bei der Ernte mitanpackte.» Heute ist Andy zusammen mit seiner Frau Renate verantwortlich für den Hof; Vater Fritz ist jedoch immer noch dabei und arbeitet mit seinen immer noch kräftigen Händen mit. Und natürlich sind auch die beiden Jungs Adrian (14) und Florian (9) in der schulfreien Zeit immer dabei.
In den vergangenen Monaten haben wir die Familie Wyss mehrmals besucht, um sie bei der Bepflanzung, der Pflege und schliesslich bei der Ernte ihrer Kartoffeln zu begleiten. Da der Schottenhof Lochsitli auf rund 1400 Metern liegt, handelt es sich um eines der höchstgelegenen Kartoffelfelder der Schweiz. «Das Land ist ein Stück weit vergleichbar mit den südamerikanischen Hochplateaus», sagt Andreas, 44 Jahre alt,immer mit einem Stumpen im Mund. Die Gegend ist so mit einigen Schwierigkeiten verbunden: Die Hänge sind zum Teil sehr steil, die Felder uneben. «Herkömmliche Maschinen kommen da schnell an ihre Grenzen», sagt Andreas. «Wir tüfteln deshalb ständig an unseren Gerätschaften, um diese noch effizienter zu machen.»
Seit dem 1. Januar 2019 ist der Schottenhof Lochsitli zudem offiziell anerkannter Bio-Betrieb nach den Richtlinien von Bio Suisse. Während andere Betriebe zu chemischen Hilfsprodukten greifen, überlässt die Familie ihre Kulturen komplett der Natur und der Hand von Andreas. Das bringt diverse Herausforderungen mit sich: Ein Beispiel hierfür ist der Kartoffelkäfer. Dieser frisst sich durch alle Blättler und wird normalerweise mit Chemie bekämpft. Nicht so auf dem Schottenhof: Hier läuft Andreas Wyss persönlich mehrmals pro Woche durch das Feld, um die Tiere von Hand zu zerquetschen. Zudem haben die Landwirte vor einiger Zeit erstmals Minzenstauden in die Kartoffelreihen gesetzt. Diese sollen helfen, dass der Kartoffelkäfer auf Abstand bleibt. Noch kann Andy Wyss nicht abschliessend sagen, wie effektiv dieses Schutzmittel ist. Für ihn und seine Frau ist und bleibt aber klar: «Grundsätzlich will ich gegen die Natur mit Natur vorgehen.» Und die Natur schreibt bekanntlich ihre eigenen Regeln. Das spürte die Familie auch im vergangenen Jahr: «Aufgrund heftiger Regenfälle und einigen starken Hagelgewittern blicken wir auf ein durchzogenes Erntejahr zurück», sagt Renate Wyss. Während die Familie in einem guten Jahr rund 8 Tonnen Kartoffeln aus dem Boden holt, fiel die Ernte 2021 mit rund 1.5 Tonnen mager aus.
Die Kartoffel mag lockere, gut mit Nährstoffen versorgte Böden und braucht bei guter Bodenvorbereitung später nicht viel Pflege. Kartoffeln werden nicht gesät, sondern als Saatkartoffeln gelegt bzw. gesteckt. Dazu werden die Kartoffeln zunächst offen liegen gelassen, bis sich ausreichend Triebe bilden. Ab April bis spätestens Anfang Juni werden die Kartoffeln in eine Tiefe von 8 bis 10 Zentimeter im Abstand von 30 bis 35 Zentimeter in die Erde gegraben. Dies geschieht mithilfe eines Vielfachgeräts. Das verwendete Kartoffelsetzgerät ist laut Andy Wyss rund 80 Jahre alt – doch darauf verzichten möchte er auf keinen Fall. Der grosse Vorteil: Das Vielfachgerät lässt sich schnell umbauen und ist deshalb sehr vielfältig einsetzbar. «Mit Ausnahme der Ernte kommt es bei sämtlichen Arbeitsschritten zum Einsatz», betont Andy Wyss.
Während der Traktor langsam vorausfährt und das Vielfachgerät den Boden pflügt, fällt eine Kartoffeln nach der andern in das Erdloch. Anschliessend wird dieses wieder von der Maschine mit Erde bedeckt. Die Mutterkartoffel löst sich im Verlauf des Prozesses komplett auf und nährt die kommenden Kartoffeln. Geerntet werden die Kartoffeln im Spätsommer. Die Erntemaschine erntet bei jeder Fahrt eine Reihe Kartoffeln, trennt Dreck und dürre Pflanzenstängel von den Knollen und befördert diese über ein Rollband in den Bunker. Die Maschine surrt und knarrt ohne Unterlass. Bei diesem Prozess werden die Kartoffeln von Renate und Andreas Wyss und seinem Vater Fritz sortiert. Weil die Kartoffeln während des Prozesses ständig in Bewegung bleiben, ist die Stimmung fokussiert. Routiniert sorgt das Team dafür, dass die guten Kartoffeln gesammelt und die schlechten Knollen aussortiert werden. Letztere landen direkt wieder auf dem Erdboden.
Ihre Ernte liefert die Familie Wyss an Gastrobetriebe in der näheren Umgebung und bietet sie im Direktverkauf an. Zudem lädt die Familie Wyss die Bevölkerung auch mal zum «Härdöpfu selber graben ein». Auch die Schotttischen Hochlandrinder bekommen einen Teil der Kartoffeln verfüttert. Aktuell führt der Betrieb hauptsächlich noch Raclette-Kartoffeln im Angebot. Doch auch aus diesen lasse sich so einiges zaubern, schreibt die Familie in ihrem Newsletter. Auf Wunsch verschickt Renate Wyss auch gleich Rezeptvorschläge per E-Mail oder WhatsApp. Wer sich aber lieber kulinarisch mit Kartoffeln der Familie Wyss verwöhnen lässt, besucht zum Beispiel das Restaurant Sporting in Marbach. In diesem Sinne: En Guete!
Denkt also beim nächsten Bissen in eine Kartoffel an das Herzblut der Bauern, die vielen Handgriffe und Arbeitsschritte, die es braucht, um die eine kleine Knolle auf euren Teller zu bringen. Die Kartoffeln der Familie Wyss aus Marbach schmecken nicht nur grossartig, sondern trumpfen auch mit Echt Entlebuch aus der UNESCO Biosphäre. Grosses Danke an die ganze Familie Wyss für die grosszügige Gastfreundschaft – hoffentlich bis sehr bald.
- Den Schottenhof Lochsitli besuchen
- Die Marbachegg entdecken
- Direktverkauf der Entlebucher Kartoffeln von der Familie Wyss
- Leckeres Kartoffelwähe-Rezept von Renate Wyss entdecken
- Entlebucher Kartoffeln im Berggasthaus Marbachegg oder Hotel Sporting probieren
- passender Raclettekäse aus der Bergkäserei Marbach oder Biosphäre Berg-Käserei Entlebuch
- Mehr über die Regionalprodukte «ECHT ENTLEBUCH» erfahren
Rahel & Ron teilen die Freude an kulinarischen Erlebnissen, spannenden Produzenten und packender Fotografie. Gemeinsam sind die beiden für unseren Blog in der Biosphäre Entlebuch unterwegs und erzählen Stories hinter den «Echt Entlebuch» Produkten der UNESCO Biosphäre Entlebuch. Echte Geschichten aus dem Entlebuch. hurrah.ch